202209.28
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Unfall und Vollkaskoversicherung

Inhalt


Viele Fahrzeuge sind heute vollkaskoversichert. Wie ist das Verhältnis aber bei einem Unfall und Vollkaskoversicherung. Eine schnelle Möglichkeit, an seine Reparaturkosten zu kommen oder gibt es gar eine Pflicht, die Vollkasko vor der gegnerischen Haftpflichtversicherung nach einem Unfall in Anspruch zu nehmen? Die Schnittstellen sind vielfältig. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Jarno C. Kirnberger versucht einen Überblick.



Was ist der Unterschied zwischen Vollkaskoversicherung und Haftpflichtversicherung?

Die Haftpflichtversicherung zahlt Schäden, welche durch den Betrieb des Fahrzeugs bei anderen Personen entstanden sind; Seien es materielle oder immaterielle Schäden. Die Versicherung schützt dabei sowohl den Halter als auch den jeweiligen Fahrer des Fahrzeugs.

Die Vollkaskoversicherung zahlt dem gegenüber Schäden, die an dem eigenen Kraftfahrzeug entstanden sind. Versichert ist hier also das jeweilige, eigene Auto. Und genau hier kommt die Verknüpfung beim Unfall zustande: Viele Haftpflichtversicherer versuchen den Kunden dazu zu bringen, den Schaden selbst auf Kosten der eigenen Versicherung abzuwickeln. Dazu gibt es eine Unmenge an Urteilen. Obwohl die meisten Fragen höchstrichterlich geklärt sind, gibt es Details, bei denen Ihnen ihr Fachanwalt für Verkehrsrecht zur Seite steht.



Muss ich über die Vollkasko „vorfinanzieren“?

Ganz eindeutig: Jein! Es gibt nie eine Pflicht beim Zusammentreffen von Unfall und Vollkaskoversicherung diese in Anspruch zu nehmen. Der Geschädigte ist stets frei in der Art, wie er seinen Schaden beseitigen lässt. Allerdings gibt es bei Nebenansprüchen oft Streit um die Frage, ob die Vollkaskoversicherung zur Schadenminderung hätte herangezogen werden können.


Schadenminderungspflicht durch Kaskoreparatur

Juristen diskutieren dieses Thema unter dem Begriff der Schadenminderungspflicht. Das ist eine besondere Form des Mitverschuldens, die der Gesetzgeber wie folgt umschreibt:

Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. 

Anders gesagt: Der Geschädigte darf natürlich nicht dabei zusehen, wie sich der Schaden immer weiter vergrößert. Und da kommt die Vollkaskoversicherung beim Unfall ins Spiel. Jeder Geschädigte hat das Recht auf einen Mietwagen. Darauf haben wir in unserem Artikel

» Unfall und Mietwagen  KUNDLER | KIRNBERGER | KLEIN (anwalt-illingen.de)

schon berichtet. Verzögert sich die Abwicklung des Schadens aber, könnte eine Vollkaskoversicherung schnell reparieren und der Ausfall gemindert werden. Dazu hat der Bundesgerichtshof aber eine klare Meinung:

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den eigenen Kaskoversicherer auf Behebung des Unfallschadens in Anspruch zu nehmen, um die Zeit des Nutzungsausfalls und damit die Höhe der diesbezüglichen Ersatzverpflichtung des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherers möglichst gering zu halten.

» BGH, Urteil vom 17.11.2020 – VI ZR 569/19



Was ist Werkstattbindung?

Werkstattbindung bedeutet zunächst folgendes: Der Kunde verzichtet auf sein Wahlrecht auf „seine“ Werkstatt. Die Vollkaskoversicherung gibt dem Kunden eine Werkstatt vor, die einen Kooperationsvertrag mit der Versicherung geschlossen hat. Der Vorteil für den Kunden ist sofort im Geldbeutel spürbar: Die Beiträge der Versicherung sinken um bis zu 20%. Daneben bieten die Vertragswerkstätten der Versicherungen Zusatzleistungen wie zum Beispiel kostenlose Mietwagen oder auch Hol- und Bringservice für das Unfallfahrzeug.

Die Versicherer holen sich diese saftigen Rabatte bei den Werkstätten zurück. Dort werden Verrechnungsätze ausgehandelt, die deutlich unter denjenigen liegen, die markengebundene Fachwerkstätten haben. Das heißt nicht, dass eine Reparatur dort besser oder schlechter wäre!


Wo ist das Problem beim Unfall

Das Problem ist eher tatsächlicher Natur: Die Unfallabwicklung verzögert sich, der Kunde will reparieren lassen. Die Werkstatt seines Vertrauens ist aber keine Partnerwerkstatt der Vollkaskoversicherung. Was also tun? Den Auftrag wieder stornieren? Nach jahrelanger guter Kundenbindung? Einfach reparieren lassen? Hier gilt: Nur nach sorgfältiger Lektüre der Versicherungspolice handeln!

Denn wenn der Versicherungsnehmer gegen die Werkstattbindung verstößt, kann es teuer werden. In der Regel ziehen die Vollkaskoversicherer 15% von der Reparatursumme ab. Wir haben es auch schon erlebt, dass die Kasko sogar erst dann zahlt, wenn der Versicherungsnehmer bewiesen hat, dass er die Reparaturrechnung selbst (!) gezahlt hat.


Gibt es einen Lösungsweg

Einen kleinen Ausweg gibt es da manchmal. Denn nicht alle Versicherungsbedingungen sind auch wirksam. Das kann ein Fachanwalt für Versicherungsrecht prüfen. Nur handelt es sich dabei um ein neues Mandat, das erneut Kosten auslöst.

Die persönliche Meinung des Autors ist deswegen:

Kein Vertrag mit Werkstattbindung. Das ist am falschen Ort gespart!



Was ist ein Höherstufungsschaden?

Wenn sich unser Kunde dafür entscheidet, dass er seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nimmt, bekommt er meist postwendend die Rechnung dafür: Die Versicherung ist belastet und die Beiträge steigen. Grund dafür ist, dass Sie den Schadenfreiheitsrabatt verlieren,

Geltendmachung bei gegnerischer Haftpflichtversicherung

Der durch die Höherstufung entstandene Geldbetrag ist natürlich auch eine Schadenposition, welche der Schädiger nach einem Unfall erstatten muss. Schwierig ist hier oftmals die Zeitachse. Bis dieselbe Schadenfreiheitsklasse wie vor dem Unfall erreicht ist, vergehen oft mehrere Jahre. In dieser Zeit können die Ersatzansprüche verjähren. Deswegen ist es wichtig, dass Ihr Fachanwalt für Verkehrsrecht von der Haftpflichtversicherung die Erklärung erhält, dass diese für Ansprüche im Sinne eines Feststellungsurteils einstehen; Oder aber auf die Einrede der Verjährung verzichten. Sehr praktisch ist diese Lösung aber nicht. Wir empfehlen immer die Vollkaskoversicherung bei einem Unfall nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn ein Mitverschulden vorliegt.



Was ist mit meiner Selbstbeteiligung?

Für die Selbstbeteiligung gilt genau dasselbe wie beim Höherstufungsschaden. Wird die Vollkaskoversicherung nach einem Unfall in Anspruch genommen, zahlt diese wie in den Versicherungsbedingungen vereinbart. Und hier ist oft eine mehr oder weniger hohe Selbstbeteiligung vereinbart. Diese muss der Kunde zunächst an das Autohaus zahlen. Ihr Fachanwalt für Verkehrsrecht macht den Betrag dann bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung als Schadenposition geltend.


Fazit

Lassen Sie sich bei jeden Umfall von unseren Experten für Verkehrsrecht beraten. Die Abwicklung der Schäden mit Vollkaskoversicherung und Haftpflichtversicherung übernimmt unser Team für Sie: Christine Persch, zertifizierte Unfallsachbearbeiterin und Jarno C. Kirnberger, Fachanwalt für Verkehrsrecht.



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