202102.20
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Unwirksame Mietbegrenzungsverordnung – Amtshaftung?

Der III. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass Mietern keine Amtshaftungsansprüche zustehen, wenn eine Landesregierung eine Mietenbegrenzungsverordnung mit weitem räumlichem und persönlichem Geltungsbereich erlässt, die jedoch wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Begründung der Verordnung unwirksam ist.Beklagte war das Land Hessen wegen der behaupteten Unwirksamkeit der von der Landesregierung 2015 erlassenen Mietenbegrenzungsverordnung (Hessische Verordnung vom 17.11.2015 zur Bestimmung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten i.S.d. § 556d Abs. 2 BGB). Verlangt wurde Schadenersatz.

Die ursprünglichen Rechtsinhaber mieteten im Jahr 2017 eine Wohnung in Frankfurt/M. Der betreffende Stadtteil war in der Mietenbegrenzungsverordnung als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt i.S.v. § 556d Abs. 2 BGB festgelegt. Die Klägerin nahm aus abgetretenem Recht der Mieter deren Vermieterin in einem Vorprozess auf Rückzahlung überhöhter Miete in Anspruch, wobei sie sich auf die Mietenbegrenzungsverordnung stützte. Diese Verordnung ist indes wegen Verstoßes gegen die in § 556d Abs. 2 S. 5 bis 7 BGB bestimmte Begründungsverpflichtung unwirksam (BGH v. 17.7.2019 – VIII ZR 130/18 – BGHZ 223, 30). Deshalb wurde die Klage der Kl. abgewiesen.

Mit der hier zu entscheidenden Teilklage macht die Klägerin gegen das Land Hessen als Schaden der Mieter geltend, dass diesen bei Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung ein Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieterin für die im August 2017 gezahlte Miete zugestanden hätte. Sie hält die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 BGB für gegeben. Mit dem Erlass der fehlerhaften Verordnung habe das Land eine ihm gegenüber den Mietern obliegende Amtspflicht verletzt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hate keinen Erfolg. Das OLG hat ausgeführt, es bestünden regelmäßig keine Amtshaftungsansprüche wegen Nachteilen, die durch die Gesetzgebung entstanden seien. § 556d BGB und die darauf beruhenden Rechtsverordnungen verfolgten ein sozialpolitisches Ziel. Sozialstaatliche Zielsetzungen verdichteten sich regelmäßig nicht zu staatlichen Handlungspflichten gegenüber Einzelnen oder Gruppen.

Der III. Zivilsenat des BGH wies die Revision der Kläger gegen das Berufungsurteil zurück.

§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass ein Amtsträger eine ihm gegenüber einem „Dritten“ obliegende Amtspflicht verletzt hat. Ob der Geschädigte im Sinne dieser Vorschrift „Dritter“ ist, richtet sich danach, ob die Amtspflicht – zumindest auch – den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten „Dritten“ bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten hingegen durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. Nur ausnahmsweise – etwa bei sog. Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen – kann etwas Anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, sodass sie als „Dritte“ i.S.d. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB angesehen werden können.

Führte das Gericht unter anderem aus.

Ein Amtshaftungsanspruch besteht schließlich auch nicht wegen enttäuschten Vertrauens der Mieter in die Wirksamkeit der hessischen Mietenbegrenzungsverordnung. In der Rechtsprechung des BGH wird ein allgemeiner Anspruch auf angemessene Entschädigung für Aufwendungen, die im enttäuschten Vertrauen auf die Wirksamkeit einer Rechtsnorm gemacht worden sind, nicht anerkannt. Auch insoweit wäre die Drittbezogenheit der Amtspflicht erforderlich. Gesetze und Rechtsverordnungen enthalten aber – wie auch hier – zumeist generelle und abstrakte Regeln, durch die der Gesetz- und Verordnungsgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahrnimmt.

BGH, Urt. v. 28.1.2021 – III ZR 25/20

(Pressemitteilung des BGH Nr. 18 vom 28.1.2021)