202205.16
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15 Fragen rund ums Arbeitsrecht

In der täglichen Rechtsberatung wird man mit vielen verschiedenen Fragestellungen im Arbeitsrecht konfrontiert. Man erlebt jedoch immer wieder, dass in den Köpfen sowohl von Arbeitnehmern also von Arbeitgebern falsche Vorstellungen oder Irrtümer „herumgeistern“, die sich zudem oft hartnäckig halten. Auf die populärsten Irrtümer soll nachfolgend eingegangen werden.

Ein paar Fragen und Antworten rund ums Arbeitsrecht haben wir hier zusammengetragen:




1. Wenn ich krank bin, kann ich nicht gekündigt werden.

Falsch. Eine Krankheit schützt nicht vor einer Kündigung. Es gibt keine Vorschrift, die es dem Arbeitgeber verbietet, während der Krankheit zu kündigen. Eine Ausnahme gilt aber. Wenn der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer seine Kündigung gar nicht bekommen kann, handelt er eventuell gegen Treu und Glauben. Das kann die Kündigung zwar nicht unwirksam machen; Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall aber einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage stellen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. vom 22.03.2012 – 2 AZR 224/11 ) hat dazu entschieden:

Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer (urlaubsbedingten) Ortsabwesenheit weiß.

Tip: Bei längerer Abwesenheit müssen Sie immer dafür Sorge tragen, dass ihr Briefkasten regelmäßig kontrolliert wird. Sei es durch Familienangehörige oder die Weiterleitung von Post.

Übrigens: Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer sogar wegen Krankheit kündigen. Das steht mittelbar in § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Es handelt sich um einen so genannten personenbedingten Kündigungsgrund. An eine solche Kündigung sind hohe Anforderungen zu stellen. Für den Arbeitgeber ist der Ausgang eines Prozesses oft ungewiss.


2. Wenn ich gekündigt werde, steht mir eine Abfindung zu.

Ebenfalls falsch! Es gibt, mit zwei Ausnahmen, keinen automatischen Anspruch auf eine Abfindung nach einer Kündigung. Die erste Ausnahme betrifft den Fall, dass in dem Betrieb ein Sozialplan vereinbart wurde und der betroffene Arbeitnehmer unter die Anwendung des Sozialplans mit Abfindungszahlung fällt. Die zweite Ausnahme findet sich in § 1 a Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

Dort heißt es:

Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse (…) Und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei verstreichen lassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

Tip: In allen anderen Fällen muss man Klage erheben und die Kündigung vom Arbeitsgericht überprüfen lassen. Ist das Gericht der Ansicht, dass die Kündigung unwirksam ist, wird das Arbeitsverhältnis oft gegen Zahlung einer Abfindung beendet.


3. Ich kann mündlich kündigen.

Nein, das ist nicht möglich. Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen kann nur gemäß § 623 BGB schriftlich, also mit einem Schreiben oder durch einen Aufhebungsvertrag erfolgen. Nicht möglich ist eine Kündigung per E-Mail, Fax, WhatsApp oder SMS. Zu beachten ist aber, dass auch bei einer formal unwirksamen Kündigung, zum Beispiel eine mündliche Kündigung, zügig reagiert werden muss. Hier gilt zwar die Klagefrist von 3 Wochen des § 4 Kündigungsschutzgesetz nicht, da Voraussetzung hierfür eine schriftliche Kündigung ist.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat jedoch bereits mit einer Entscheidung vom 16.08.2010 (25 Ta 1628/10) ausgeführt, dass eine zu späte Klage unter Umständen verwirkt sein kann. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat hierzu ausgeführt:

Der Arbeitnehmer ist daher nach Treu und Glauben verpflichtet, etwaige Angriffe gegen die umstrittene Kündigung in angemessener Zeit vorzubringen, eventuell Klage zu erheben. Tut er das nicht, so muss er sich den Einwand der Verwirkung entgegenhalten lassen. Welcher Zeitablauf maßgebend ist, wird von der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Dem Arbeitnehmer wird eine Überlegungsfrist einzuhalten sein. (…) Die Kammer sieht sich deshalb berechtigt, für die Bestimmung einer Ausgangsgröße für eine Überlegungsfrist auf die 3-Wochen-Frist des § 4 (des Kündigungsschutzgesetzes) zurückzugreifen

Zur Sicherheit sollte der betroffene Arbeitnehmer daher auch bei einer mündlichen Kündigung oder einer Kündigung per Mail, WhatsApp oder SMS innerhalb der 3-Wochen-Frist Klage vor dem für ihn zuständigen Arbeitsgericht gegenüber dem Arbeitgeber erheben.

 Tip: Die Schriftform gilt genauso für Kündigungen des Arbeitnehmers. Auch auf Arbeitnehmerseite ist daher zu beachten, dass die Kündigung schriftlich sein muss, damit sie wirksam ist.


4. Im Kündigungsschreiben muss ein Grund stehen.

Auch dies ist nicht richtig. Im Kündigungsschreiben muss der Arbeitgeber grundsätzlich –   mit einigen Ausnahmen, zum Beispiel bei Schwangeren oder Auszubildenden – die Kündigungsgründe nicht angeben. Von der Angabe der Kündigungsgründe zu unterscheiden ist jedoch die Tatsache, dass der Arbeitgeber im Falle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes einen Grund zur Kündigung haben muss. Der Arbeitnehmer erfährt jedoch in der Regel die Kündigungsgründe nur, wenn er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage bei dem zuständigen Arbeitsgericht erhebt. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses muss der Arbeitgeber dann die Kündigungsgründe angeben und gegebenenfalls beweisen, damit das Arbeitsgericht überprüfen kann, ob diese Kündigungsgründe ausreichen.

Tip: Bei Ausspruch einer fristlosen Kündigung hat der Kündigungsempfänger gemäß § 626 Abs. 2 BGB das Recht, von dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitgeteilt zu bekommen. Teilt der Kündigende die Kündigungsgründe auf Verlangen nicht unverzüglich mit, so kann er sie schadensersatzpflichtig machen. Wenn der Kündigungsempfänger Kündigungsschutzklage erhebt, da er die Kündigungsgründe nicht mitgeteilt bekommt, und der Ablauf der 3-Wochen-Klagefrist droht, und stellt sich im Nachhinein die Kündigung als gerechtfertigt heraus, so hat der Kündigungsempfänger gegenüber dem Kündigenden einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Gerichtsprozesses.


5. Geringfügig Beschäftigte haben keinen Urlaub und Entgeltfortzahlung

Auch dies ist falsch!  Ein geringfügig Beschäftigter ist kein Arbeitnehmer zweiter Klasse. Geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer haben die gleichen Rechte wie in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer. Das bedeutet, dass geringfügig Beschäftigte natürlich auch Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben.




8. Für Sonntags- und Feiertagsarbeit steht mir ein Zuschlag zu.

Dies stimmt nicht!  Arbeitszeit an Sonntagen und Feiertagen sind genau so zu vergüten wie die anderen Arbeitstage. Ein Zuschlag kann sich aber aus einem Tarifvertrag oder aus einer Betriebsvereinbarung ergeben. Dann hat der Arbeitnehmer auch einen Anspruch auf Zahlung dieser Zuschläge.


9. Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Das ist so nicht richtig. Einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gibt es nicht. Eine solche sogenannte Sonderzuwendung an den Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber nur zahlen, wenn dies im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist oder eine sogenannte betriebliche Übung entstanden ist, d. h. eine Zahlung mindestens seit drei Jahren ohne den Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlt wurde.


10. Ich brauche immer einen schriftlichen Arbeitsvertrag.

Dies stimmt nicht Ein Arbeitsverhältnis kann zwar (siehe Irrtum Nr. 3) nur schriftlich beendet werden. Für den Abschluss gibt es aber, mit Ausnahme von befristeten Arbeitsverhältnissen, keine Formvorschriften, so dass der Arbeitsvertrag auch mündlich geschlossen werden kann.

Tip: Es empfiehlt sich aber, die Arbeitsbedingungen, allein schon aus Beweisgründen, schriftlich niederzulegen.


11. In der Probezeit kann ich jederzeit und fristlos gekündigt werden.

In der Probezeit braucht der Arbeitgeber für den Ausspruch einer Kündigung zwar keinen Grund. Zum Ausspruch einer Kündigung ist der Arbeitgeber jedoch grundsätzlich an die Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB, gebunden. Darin heißt es:

Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

Tip: Die Kündigungsfrist muss nicht vollständig in der Probezeit liegen, sodass der Arbeitgeber auch noch am letzten Tag der Probezeit eine Probezeitkündigung mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist aussprechen kann.


12.  Bevor mir mein Chef kündigen kann, muss er mich vorher dreimal abmahnen.

Auch dies ist falsch. Zwar ist der Arbeitgeber vor dem Ausspruch einer Kündigung generell verpflichtet, vor dem Ausspruch einer Kündigung zu milderen, der Pflichtverletzung angemessenen, Mitteln zu greifen, also in der Regel zunächst eine Abmahnung auszusprechen, bevor gekündigt wird.  Eine Regel, dass der Arbeitgeber dreimal abmahnen muss, ehe er kündigt, gibt es aber nicht.

Wird der Arbeitnehmer einmal wegen eines Pflichtenverstoßes abgemahnt, ist schon bei einem weiteren Pflichtenverstoß, der aber gleichgelagert sein muss, die Kündigung möglich. In diesem Zusammenhang spielt aber auch eine Rolle, wie lange der Arbeitnehmer schon im Unternehmen beschäftigt ist und wie lange das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei bestanden hat, so dass gegebenenfalls auch Umstände denkbar sind, dass mehr Abmahnungen vor einer Kündigung ausgesprochen werden müssen. Bei schweren Pflichtverletzungen, beispielsweise dem Diebstahl von Firmeneigentum, ist gegebenenfalls sogar eine Kündigung möglich, ohne dass zuvor eine Abmahnung ausgesprochen werden muss.


13. Wenn ich wegen höherer Gewalt nicht zur Arbeit komme, darf ich zuhause bleiben.

Falsch. Natürlich kann ein Arbeitnehmer an Schnee, Eis oder Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel nichts ändern. Es bleibt aber auch dann dabei, dass der Arbeitnehmer das Wegerisiko – also das Risiko, zur Arbeit zu kommen – zu tragen hat.

Bereits im Jahr 1982 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (5 AZR 283/80) entschieden:

Der Grund für die Arbeitsverhinderung muss danach in der Person des Arbeitnehmers liegen, denn der Lohnanspruch erhalten bleiben soll. (…) Die Verhinderungsgründe müssen sich danach gerade auf denjenigen Arbeitnehmer beziehen, der Lohnfortzahlung verlangt, nicht auf einen größeren Kreis von Arbeitnehmern. (…) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Witterungsverhältnisse ist nicht nur dem Kläger oder wenigen anderen Arbeitnehmern unmöglich gemacht, an den fraglichen Tagen ihre Arbeitsstelle zu erreichen. Die witterungsbedingten Straßenverhältnisse bzw. das auf ihnen beruhende Fahrverbot betraf vielmehr alle Bewohner Norddeutschlands, die auf passierbar Straßen angewiesen waren, um ihre Arbeitsstelle mit dem eigenen Kraftfahrzeug oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Damit verwirklichte sich für den Kläger diesen Tagen nur das allgemeine Wegerisiko, das aber grundsätzlich vom Arbeitnehmer zu tragen ist.

Wenn der Arbeitnehmer daher zum Beispiel wegen Schnee, Eis oder Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel also zu spät oder gar nicht bei der Arbeit erscheint, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für diese ausgefallene Zeit Lohn zu zahlen.


14.  Ich muss erst am 4. Tag meiner Krankheit einen Krankenschein vorlegen.

Das ist nicht immer richtig. Zwar steht im Gesetz, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeits­bescheinigung vorlegen muss. Allerdings kann im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat vereinbart werden, dass der Arbeitgeber die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch schon zu einem früheren Zeitpunkt verlangen darf. Eine solche Vereinbarung ist wirksam; hierfür braucht der Arbeitgeber auch keinen besonderen Grund gibt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 14.11.2012, 5 AZR 886/11, entschieden.



15. Meine Kündigung ist unwirksam, weil der Betriebsrat ihr nicht zugestimmt oder ihr sogar widersprochen hat.

Auch das ist nicht richtig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 102 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor einer Kündigung nur anhören.

In dieser Vorschrift heißt es:

Der Betriebsrat ist für jede Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Der Arbeitgeber kann daher nach einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates das Arbeitsverhältnis kündigen, sogar wenn der Betriebsrat der Kündigung widerspricht.

Tip: Etwas anderes gilt jedoch für außerordentliche Kündigungen von Mitgliedern des Betriebsrates selbst und anderen vergleichbaren Mitgliedern im Rahmen der betrieblichen Interessenvertretung. Hier ist die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich.

Für alle Fragen rund um das Thema Arbeitsrecht können Ihnen unsere versierten Fachanwälte für Arbeitsrecht, Rechtsanwalt Jarno Kirnberger und Rechtsanwältin Tanja Ringeisen, behilflich sein.


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