202112.10
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Ihr Recht auf Homeoffice

Nach nunmehr fast 2 Jahren Corona-Epidemie und einer Verlagerung der beruflichen Tätigkeit ins Home Office sind mittlerweile einige Urteile zu Rechten und Pflichten des Arbeitnehmers am häuslichen Arbeitsplatz ergangen.

Hier ein kleiner Überblick:


Sturz auf dem Weg vom Schlafzimmer ins Arbeitszimmer

Bundessozialgericht, AZ.: B 2 U 4/21 R
Der Kläger befand sich auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro. Üblicherweise beginnt er dort unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken. Beim Beschreiten der die Räume verbindenden Wendeltreppe rutschte er aus und brach sich einen Brustwirbel. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte Leistungen aus Anlass des Unfalls ab.

Auf dem Weg von den Privaträumen in den betrieblichen Bereich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme beginne der Unfallversicherungsschutz erst mit Erreichen der Betriebsräume. Während die erste Instanz den erstmaligen morgendlichen Weg vom Bett ins Homeoffice noch als versicherten Betriebsweg ansah, beurteilte das Landessozialgericht ihn als unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen Tätigkeit nur vorausgeht. Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen Pandemielage arbeiteten viele Menschen von zu Hause aus. Diese dürften hinsichtlich des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung nicht schlechter stehen, als die Arbeitnehmer im Betrieb. Es müsse sich deshalb beim Weg zur erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit im Homeoffice um einen versicherten Betriebsweg handeln.

Das Bundessozialgericht (BSG) sprach dem Kläger nun Leistungen der Unfallversicherung zu. Dies können neben den Behandlungskosten je nach Unfallfolgen auch Rentenzahlungen sein. Zur Begründung erklärte das BSG, der Weg auf der Treppe habe in einem engen Zusammenhang mit der Arbeit gestanden. Der Verkaufsleiter habe seine Arbeit aufnehmen wollen. Diese „objektive Handlungstendenz“ sei entscheidend.

Die Kasseler Richter betonten, dass dies unabhängig von einer Gesetzesänderung zum 18. Juni 2021 gilt und auch vorher galt. Nach der Neuregelung besteht Unfallschutz im Homeoffice „in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte“. Die Gesetzesänderung sichert die neuere BSG-Rechtsprechung ab, wonach auch betriebliche Wege innerhalb der Wohnung versichert sind, künftig zudem wohl auch Wege bis zur Küchentür, um zu essen oder zu trinken. Darüber haben wir schon hier berichtet.


Dienstliche Anordnung im Home-Office zu arbeiten

Verwaltungsgericht Berlin, AZ.:28 L 119/20
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die über 60-jährige Antragstellerin ist als Amtsinspektorin bei einem Berliner Bezirksamt beschäftigt. Ende März 2020 ordnete ihr Dienstherr an, dass sie bis zum 17. April 2020 Dienst im Home-Office zu leisten habe. Die Entscheidung sei aus Fürsorgegründen geboten, weil sie aufgrund ihres Lebensalters einem erhöhten Risiko für eine COVID-19-Erkrankung ausgesetzt sei. Sie solle sich telefonisch für die Dienststelle zur Verfügung halten, und ihr würden bei Anfall Arbeitsaufträge zur häuslichen Bearbeitung übertragen.

Die Beamtin zweifelt an der Rechtgrundlage für die Anordnung. Die innerbehördliche Regelung sehe lediglich vor, dass Home-Office auf Antrag des jeweiligen Beschäftigten angeordnet werden könne; einen solchen Antrag habe sie aber nicht gestellt
Das VG hat den Eilantrag zurückgewiesen. Die Antragstellerin müsse die getroffene organisatorische Maßnahme jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum hinnehmen. Sie verletzte den Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung nicht, weil durch die Anordnung lediglich der Ort ihres Einsatzes und gegebenenfalls die konkreten Aufgaben für drei Wochen verändert würden.

Selbst wenn sie weder über die erforderliche Technik (z.B. einen Arbeitscomputer oder ein Diensthandy) verfügen sollte, führe dies noch nicht zu einer unzulässigen Trennung von Amt und Funktion. Denn in dem befristeten Zeitraum verbleibe ihr die übertragene Funktion, und sie werde auch erkennbar nicht aus dem Dienst herausgedrängt oder zu einer Untätigkeit in perspektivlosem Zuwarten genötigt.


Arbeiten im „Home-Office“ abgelehnt – Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung unwirksam

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, AZ.: 17 Sa 562/18
Das Landes¬arbeits¬gericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass der Arbeitgeber nicht allein wegen seines arbeits¬vertraglichen Weisungsrechts berechtigt ist, dem Arbeitnehmer einen Telearbeitsplatz zuzuweisen. Lehnt der Arbeitnehmer die Ausführung der Telearbeit ab, liegt deshalb keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Eine aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
Im zugrunde liegenden Streitfall beschäftigte der Arbeitgeber den Kläger als Ingenieur; der Arbeitsvertrag enthielt keine Regelungen zu einer Änderung des Arbeitsorts. Der Arbeitgeber bot dem Arbeitnehmer nach einer Betriebsschließung an, seine Tätigkeit im „Home-Office“ zu verrichten. Nachdem der Arbeitnehmer hierzu nicht bereit war, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hielt die Kündigung wie schon das Arbeitsgericht für unwirksam. Der Arbeitgeber konnte dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit nicht aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts (§ 106 GewO) einseitig zuweisen. Denn die Umstände der Telearbeit unterscheiden sich in erheblicher Weise von einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zu verrichten sind. Dass Arbeitnehmer z.B. zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf an einer Telearbeit interessiert sein können, führt nicht zu einer diesbezüglichen Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers.


Wann darf Arbeitgeber Rückkehr aus Homeoffice anordnen

Landesarbeitsgericht München, AZ.: 3 SaGa 13/21
Das Landes¬arbeitsgericht München hat entschieden, dass ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer gestattet hatte, seine Tätigkeit als Grafiker von zuhause aus zu erbringen, gemäß § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich berechtigt ist, seine Weisung zu ändern, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprechen.
Der Arbeitnehmer war als Grafiker in Vollzeit beschäftigt. Seit Dezember 2020 arbeiteten die sonst im Büro tätigen Mitarbeiter aufgrund Erlaubnis des Geschäftsführers an ihrem jeweiligen Wohnort mit Ausnahme des Sekretariats, das im eingeschränkten Umfang vor Ort im Büro in München anwesend blieb. Mit Weisung vom 24.02.2021 hat der Arbeitgeber gegenüber dem Kläger angeordnet, die Tätigkeit als Grafiker wieder unter Anwesenheit im Büro in München zu erbringen. Der Arbeitnehmer wollte mit seiner Klage erreichen, dass ihm das Arbeiten aus dem Homeoffice gestattet wird und diese Homeoffice-Tätigkeit nur in Ausnahmefällen zu unterbrochen werden darf.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Arbeiten im Homeoffice ergebe sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchV. Nach dem Willen des Verordnungsgebers vermittele diese Vorschrift kein subjektives Recht auf Homeoffice. Die Weisung habe billiges Ermessen gewahrt, da zwingende betriebliche Gründe der Ausübung der Tätigkeit in der Wohnung entgegenstanden.

Die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz habe nicht der am Bürostandort entsprochen und der Arbeitnehmer habe nicht dargelegt, dass die Daten gegen den Zugriff Dritter und der in Konkurrenz tätigen Ehefrau geschützt waren. Die allgemeine Gefahr, sich auf dem Weg zur Arbeit mit Covid-19 anzustecken und das allgemeinen Infektionsrisiko am Arbeitsort und in der Mittagspause würden einer Verpflichtung zum Erscheinen im Büro nicht entgegenstehen.

Bei allen sozial-, dienst und / oder arbeitsrechtlichen Fragen rund um das Thema Home – Office wenden Sie sich bitte an einen unserer Fachanwälte für Arbeitsrecht, Herrn Rechtsanwalt Jarno Kirnberger, oder an Frau Rechtsanwältin Tanja Ringeisen, die zudem sozialversicherungsrechtliche Fragen beantwortet.


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