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Das Führungszeugnis – Bin ich vorbestraft?

Inhalt:



Was bedeutet eine Vorstrafe überhaupt?

Wann bin ich vorbestraft? Mit einer Vorstrafe wird landläufig die Eintragung einer Verurteilung im Führungszeugnis verbunden. Genauer gesagt im polizeilichen Führungszeugnis.  Das ist ein Ausdruck, bzw. eine Bescheinigung über Eintragungen, die zu ihrer Person im Bundeszentralregister gespeichert sind. Dieses Register führt das Bundesamt für Justiz in Bonn. Dort können Sie eine Auskunft über die vorliegenden Eintragungen verlangen. Dieser Antrag können Sie regelmäßig beim zuständigen Ordnungsamt an ihrem Wohnort stellen. Eine Vorstrafe meint also den Fall, dass zu Ihrer Person eine Eintragung im Führungszeugnis vorliegt. Das ist die bekannte, grüne Urkunde mit dem Bundesadler als Wasserzeichen und der Überschrift „Führungszeugnis“.
Fazit:
Sie sind vorbestraft, wenn Sie einen Eintrag im Führungszeugnis haben.



Was steht alles im Führungszeugnis?

Was genau im polizeilichen Führungszeugnis steht, ergibt sich aus § 32 BZRG (Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister). Die Vorschrift verweist auf die §§ 4 bis 16 des BZRG. Danach werden

  • strafgerichtliche Verurteilungen (und zwar alle!),
  • Entscheidungen von Verwaltungsbehörden und Gerichten,
  • gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen von Strafverfolgungsbehörden wegen Schuldunfähigkeit,
  • gerichtliche Feststellungen nach § 17 Abs. 2, § 18,
  • nachträgliche Entscheidungen und Tatsachen, die sich auf eine der in den Nummern 1 bis 4 genannten Eintragungen beziehen.

im Bundeszentralregister gespeichert und in ihr Führungszeugnis übernommen.

  • 32 BZRG macht aber eine wichtige Ausnahme: Nicht in das Führungszeugnis eingetragen werden Verurteilungen
  • Von (grundsätzlich) 90 oder weniger Tagessätzen
  • Von 3 oder weniger Monaten Freiheitsstrafe

Anders gesagt: Wenn Sie zu einer Strafe von 40 Tagessätzen wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt verurteilt worden sind, sind sie noch nicht vorbestraft.
Fazit:
Das Bundeszentralregister speichert jede Verurteilung, Entscheidung und Feststellung von Behörden und Gerichten. Im Führungszeugnis werden davon aber nur bestimmte, eingeschränkte Informationen zu Ihnen herausgegeben.



Welche Arten von Führungszeugnissen gibt es?

Das BZRG kennt verschiedene Arten von Führungszeugnissen zu ihrer Person. Abhängig davon, wer den Antrag stellt und welches Interesse mit der Auskunft aus dem Bundeszentralregister verfolgt wird. Je nach dem erteilt das Bundesamt für Justiz unterschiedliche Auskünfte.


Einfaches Führungszeugnis

Das einfache Führungszeugnis oder auch polizeiliches Führungszeugnis ergibt die Auskunft darüber, ob Vorstrafen eingetragen sind. Dieses Führungszeugnis kann jede Person über 14 Jahre ohne weiteres beantragen. An die Auskunft sind keine weiteren Voraussetzungen geknüpft.


Erweitertes Führungszeugnis

Das Erweiterte Führungszeugnis enthält alle Eintragungen, die zu einer Person gespeichert sind. Also nicht nur „Vorstrafen“. Diese Auskunft kann nur unter strengen Voraussetzungen angefordert werden. Das ist insbesondere der Fall wenn

  • Sich die Pflicht zur Vorlage aus dem Gesetz ergibt
  • Die Vorlage für eine Tätigkeit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen erforderlich ist.


Unbeschränkte Auskunft aus dem Register

Diese Auskunft ist grundsätzlich nur Behörden vorbehalten. § 41 BZRG macht klare Vorgaben, in welchen Fällen eine Behörde eine unbeschränkte Auskunft aus dem Register anfordern kann. Der Wichtigste Fall ist dabei sicherlich die Strafverfolgung. Aber auch die Erteilung von Waffen- und Sprengstoffrechtlichen Erlaubnissen, die Sicherstellung der Luftfahrtsicherheit, die medizinische und pharmakologische Zuverlässigkeitsprüfung und die Zulassung von Rechtsanwälten und Notaren erfordern eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister.



Das Erziehungsregister

Zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden werden bestimmte Eintragungen, die auf Entscheidungen nach dem Jungendgerichtsgesetz (JGG) beruhen in das Erziehungsregister eingetragen. Diese Informationen tauchen im „normalen“ Führungszeugnis nicht auf. Deswegen ist auch die Auskunft aus dem Erziehungsregister stark eingeschränkt. Das Ergibt sich aus § 61 BZRG und betrifft nur Strafverfahren, Familien- und Jungendamtsverfahren, sowie Waffenrechtliche Genehmigungen, Gnadenverfahren und Verfassungsschutzsachen.

Exkurs:
Daneben haben die Staatsanwaltschaften die viel weitergehende Möglichkeit, eine Auskunft über alle Verfahren zu erteilen, die zu ihrer Person geführt werden. Die in der Zentraldatei der Staatsanwaltschaften gespeicherten Daten enthalten auch Verfahren, die längst eingestellt sind und/oder von denen Sie als angeblicher Täter vielleicht gar nichts wussten. Das ist ein krasser Unterschied zum Bundeszentralregister; erst recht zu den Eintragungen im polizeilichen Führungszeugnis. Im Rahmen eines Strafverfahrens ist es deswegen sehr wichtig, dass Ihr Verteidiger darauf achtet, welche Daten einer Verurteilung zugrunde gelegt werden.



Wozu braucht man ein Führungszeugnis?

Das Führungszeugnis kommt im täglichen Leben häufiger vor als man denkt. Bei vielen Behördenkontakten, aber auch im Arbeitsleben muss das Bundesamt für Justiz Auskunft zu einer Person erteilen. Ob und wie die in der Auskunft enthaltenen Daten verwertet werden dürfen, entscheidet dann aber das Gericht oder die Behörde in deren Verfahren das Zeugnis eingeführt worden ist.
Hier einige Beispiele:

Exkurs: Arbeitsrecht
Im Rahmen von Stellenangeboten können Sie immer wieder lesen, dass ein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden soll oder muss. Darf ein Arbeitgeber aber von seinem Arbeitnehmer (oder Bewerber) verlangen, dass dieser ein Führungszeugnis vorlegt? Grundsätzlich nicht! Die Auskunft ist vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Deswegen sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen muss, sehr eingeschränkt. Der Arbeitgeber muss hier immer ein besonderes Interesse darlegen und beweisen. Das ist gegeben, wenn Sie

  • In besonders sensiblen Bereichen arbeiten (zB Vermögensverwaltung für Dritte)
  • In sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten
  • Mit Kindern und Jugendlichen arbeiten (dort ist es sogar vorgeschrieben)

Das Arbeitsgericht Cottbus (Aktenzeichen 3 Ca 317/13) hat zu der Frage, ob eine Eintragung im polizeilichen Führungszeugnis eine Verurteilung rechtfertigt, klare Maßstäbe gesetzt:

Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ist ohne die Berücksichtigung des zugrunde liegenden Tatgeschehens kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.

Wenn es hier Streit gibt, können Sie unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht, Rechtsanwalt Jarno C. Kirnberger und Rechtsanwältin Tanja Ringeisen mit jahrzehntelanger Erfahrung vertreten.


Zuverlässigkeit bei behördlichen Entscheidungen

Viele behördliche Entscheidungen beruhen (mit) auf der Frage, ob der Antragsteller im Verfahren zuverlässig ist, oder nicht. Neben der Frage, ob Sie die allgemeinen Voraussetzungen für eine Genehmigung oder einen anderen Verwaltungsakt erfüllen, kommt es also wesentlich darauf an, was über Sie im Bundeszentralregister steht.

Beispiele:

  • Waffenrechtliche Zuverlässigkeit gem. § 5 WaffG
  • Jagdrechtliche Zuverlässigkeit gem. § 17 BJagdG
  • Gewerberechtliche Zuverlässigkeit gem. § 35 GewO
  • Unternehmerische Zuverlässigkeit gem. § 25 PBefG


In Strafverfahren

In jedem Strafverfahren wird automatisch eine Auskunft über den Beschuldigten beim Bundesamt für Justiz eingeholt. Und zwar nicht nur ein polizeiliches Führungszeugnis, sondern eine unbeschränkte Auskunft. Das heißt Richter und Staatsanwalt haben in der Akte alle Informationen zu Eintragungen, auch wenn sie keine Vorstrafe bedeuten.


Exkurs: Verkehrsordnungswidrigkeiten

Auch in Bußgeldverfahren, die sich nach dem Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten (OWiG) richten, wird eine Auskunft über den Betroffenen eingeholt. Sie dient der Frage, welche Rechtsfolgen ein Verstoß hat, der als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Für den Verkehrsbereich ist hier das Fahreignungsregister maßgeblich. Dort werden die „Punkte“ gespeichert, die ein Autofahrer sammeln kann. Auch hierüber können Sie jederzeit eine Auskunft verlangen, die einmal jährlich kostenlos erteilt werden muss.

Der Bußgeldkatalog knüpft an die dortigen Eintragungen feste Konsequenzen. Wer bei einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h im vor der Tat liegenden Jahr schon einmal „über 25“ hatte, muss die Fahrerlaubnis für einen Monat abgeben. Andererseits können Wiederholungstaten zu einer Erhöhung der Geldbuße führen. Hier kann ihr Verteidiger mit taktisch cleverem Vorgehen das Verfahren verzögern und so die Verwertbarkeit der Voreintragung verhindern.



Wie lange steht etwas im Führungszeugnis?

Wie lange eine Verurteilung im Bundeszentralregister eingetragen ist, hängt wesentlich von Art und Umfang der Strafe ab. Dabei gibt es grundsätzlich 4 Fristen

  • 5 Jahre
  • 10 Jahre
  • 15 Jahre
  • 20 Jahre

Welche Frist für welche Verurteilung genau gilt, ergibt sich aus § 46 BZRG. Dabei gilt der Grundsatz: Je schwerer die Rechtsfolge, desto länger die Speicherung. Das muss ihr Rechtsanwalt für Strafrecht genau prüfen. Dabei kommt es für die Frage der Verwertbarkeit einer Eintragung immer auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung an. Mit einer guten Taktik kann dieser Zeitpunkt in knappen Fällen durchaus verschoben werden. So vermeidet ihr Verteidiger unter Umständen, dass Voreitragungen zu ihrem Nachteil bei einer Entscheidung verwertet werden können.

Die vielfältigen Fragen zum Bundeszentralregister, dem Führungszeugnis und Vorstrafen beantwortet Ihnen ihre Rechtsanwältin für Strafrecht. Das Führungszeugnis – wann bin ich vorbestraft? Frau RAin Laura Wilhelm verteidigt Sie in allen behördlichen und gerichtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.

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