202304.27
4

Der Pflichtteil – was Sie wissen und beachten müssen

Inhalt im Überblick:


Was ist überhaupt der Pflichtteil?

Der Pflichtteil garantiert nahen Familienangehörigen einen Anspruch am Nachlass, wenn sie zum Beispiel durch Testament oder Erbvertrag vollständig oder zumindest teilweise von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind. Zu den nahen Familienangehörigen gehören Kinder – egal ob ehelich oder nicht ehelich-, (Ur-)Enkel, Eltern und der nicht geschiedene Ehepartner. Andere Personen, beispielsweise Geschwister, sind nicht pflichtteilsberechtigt. Der Pflichtteil ist kein Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand, sondern ein reiner Zahlungsanspruch, der mit dem Erbfall entsteht. Die Verpflichtung, den Pflichtteil auszuzahlen, trifft den oder die Erben nach Maßgabe ihrer Erbteile.  (vgl. BGH NJW 1958,1964)


Pflichtteil ohne Testament?

Der Pflichtteil setzt grundsätzlich voraus, dass ein naher Familienangehöriger von dem Verstorbenen durch Testament oder Erbvertrag vollständig oder teilweise enterbt worden ist. Es gibt aber auch Fälle, in denen der Pflichtteil gefordert werden kann, obwohl gar kein Testament vorliegt und die gesetzliche Erbfolge gilt. Dies ist dann der Fall, wenn der Verstorbene sein Vermögen zu Lebzeiten durch Geschenke an andere Personen geschmälert hat, hier kann ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2329 BGB gegen die Personen bestehen, die die Geschenke erhalten haben.


Pflichtteil auch bei Ausschlagung des Erbes?

Es existiert häufig die Fehleinschätzung, dass man den Pflichtteil auch dann erhält, wenn man sein Erbe ausschlägt. Dies ist jedoch in der Regel nicht der Fall, da es dann nicht der Erblasser war, der den Berechtigten von der Erbfolge ausgeschlossen hat, sondern dies auf dem eigenen Willensentschluss des Berechtigten beruht (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2011, 597)
Es gibt jedoch 2 gesetzliche Ausnahmen, wonach man aber nur in ganz bestimmten Fällen den Pflichtteil auch nach Ausschlagung des Erbes verlangen kann.


Wie hoch ist der Pflichtteil?

Dies hängt davon ab, wie hoch eigentlich der Erbteil des Pflichtteilsberechtigten gewesen wäre. Grundsätzlich beträgt der Pflichtteil immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Dies bedeutet, dass der Pflichtteil sich verringert, je mehr gesetzliche Erben vorhanden sind. Der Erbteil ist für jeden Pflichtteilsberechtigten gesondert zu bestimmen. (vgl. BGH NJW 2002, 672)


Welcher Stichtag ist maßgeblich für die Berechnung des Pflichtteils?

Maßgeblich für die Berechnung des Pflichtteils ist der Bestand und Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Nachträgliche Veränderungen bleiben bei der Berechnung des Pflichtteils grundsätzlich unberücksichtigt. Dies führt zur Rechtssicherheit, kann aber im Einzelfall auch zu erheblichen Härten auf der Seite des Erben oder des Pflichtteilsberechtigten führen.
(vgl. BGH NJW 2013, 1086)
Hat jedoch der Erbe oder ein Dritter beispielsweise zu Lebzeiten des Erblassers eine Vollmacht missbraucht und unberechtigt Gelder von dessen Konto abgehoben, kann hieraus ein Anspruch entstehen, der zum Nachlass gehört und deshalb auch bei der Pflichtteilsberechnung erhöhend zu berücksichtigen ist. (vgl. OLG Schleswig, ZEV 2013, 86)


Wie kann der Pflichtteil reduziert werden?

Wenn man sein Vermögen bereits zu Lebzeiten schmälert, indem man es oder Teile davon auf andere Personen überträgt. Auch indem man als zukünftiger Erblasser heiratet, Kinder bekommt oder adoptiert, damit erweitert man damit den Kreis der gesetzlichen Erben und verringert so Pflichtteilsrechte.
Auch eine Änderung des Güterstandes von Eheleuten kann zu einer Reduzierung von Pflichtteilsrechten führen.


Was ist mit Schenkungen?

Geschenke, die der Erblasser vor seinem Tod anderen Personen gemacht hat, erhöhen den Pflichtteil. Hier gilt meistens eine zehn Jahresgrenze: Geschenke, die mehr als zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers gemacht wurden, erhöhen den Pflichtteil nicht mehr, liegt die Schenkung noch keine zehn Jahre zurück, so wird der Pflichtteil zeitanteilig erhöht.


Wer muss den Pflichtteil berechnen?

Der Pflichtteilsberechtigte muss den Pflichtteil selber berechnen. Dabei muss der Erbe ihm aber alle Informationen zur Berechnung des Pflichtteils zur Verfügung stellen. Der Pflichtteilsberechtigte hat nämlich nicht nur einen Zahlungsanspruch sondern auch einen umfangreichen Auskunftsanspruch gegen den Erben.


Wo und gegen wen mache ich den Pflichtteil geltend?

Nach dem Eintritt des Erbfalls muss man seinen Pflichtteil beim Erben geltend machen. Wenn es mehrere Erben gibt, reicht es aus, wenn man seinen Pflichtteil bei einem Erben einfordert. Zuerst sollte man den Erben auffordern, Auskunft über Bestand und Wert des Nachlasses zu erteilen. Nachfolgend kann man dann seinen Pflichtteil beziffern und geltend machen. Wenn der oder die Erben nicht freiwillig zahlen, muss man den Pflichtteil mit einer Klage bei Gericht geltend machen.


Wer zahlt den Gutachter zur Berechnung des Pflichtteils?

Gewisse Werte im Nachlass sind schwer zu bestimmen, insbesondere Immobilien oder Grundstücke, so dass es eines Gutachtens bedarf. Die Kosten für die Einholung eines solchen Gutachtens trägt der Nachlass. Mittelbar wird dadurch aber auch der Pflichtteilsberechtigte an den Kosten beteiligt, weil durch die Gutachterkosten der Nachlass und damit auch der Pflichtteil geringer wird.


Kann man den Pflichtteil in Raten zahlen?

Oft hat der Erbe nicht genügend Geld, um den Pflichtteil auf einmal zu bezahlen, so dass sich die Frage stellt, ob der Pflichtteil auch in Raten bezahlt werden kann. Dies ist nur in seltenen Ausnahmefällen möglich. Der Erbe könnte beim Gericht einen Antrag auf Stundung stellen, diesem würde allerdings nur stattgegeben, wenn die sofortige Zahlung für den Erben eine unbillige Härte bedeuten würde.


Kann man auf den Pflichtteil verzichten?

Ja, man kann. Es gibt keine Verpflichtung, den Pflichtteil einzufordern oder einzuklagen. Will man aber einen schriftlich wirksamen Verzicht erklären, muss man vor dem Eintritt des Erbfalls einen Notar aufsuchen und den Verzicht dort notariell beurkunden lassen.


Wann verjährt der Pflichtteil?

Der Anspruch auf Auszahlung eines Pflichtteils verjährt in drei Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres zu laufen, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und dem Umstand, dass er selbst kein Erbe geworden ist, Kenntnis erlangt oder von diesen Umständen hätte wissen können. (vgl. BGH NJW 2019, 1219)


Bei alle Fragen rund um das Thema Pflichtteil kann Ihnen unsere auf Erbrecht versierte Rechtsanwältin Tanja Ringeisen, behilflich sein.


Anwalt für Erbrecht Rechtsanwältin Tanja Ringeisen Kontakt