202306.28
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Behandlungsfehler durch Arzt oder Krankenhaus

Behandlungsfehler – Wie verhalte ich mich richtig?

Inhalt im Überblick:





Was sind überhaupt Behandlungsfehler?

Wo Menschen arbeiten, werden Fehler begangen, auch im Krankenhaus und in Arztpraxen. Fehler in der medizinischen Versorgung können jedoch schwerwiegende Folgen für die Patienten haben. Allerdings bedeutet nicht jede Fehldiagnose oder erfolglose Behandlung zugleich, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. Man unterscheidet u.a. folgende Fehler:

Klassische Behandlungsfehler
Der klassische Behandlungsfehler ist das Abweichen vom medizinischen Standard. Entscheidend ist, ob die durchgeführte Therapie und Behandlung medizinisch indiziert und lege artis erfolgt ist.

Nach Facharztstandard schuldet ein Arzt für Allgemeinmedizin ein geringeres Maß an Sorgfalt und Können als ein Facharzt einer anderen Sparte. Jeder Arzt muss aber diejenigen Maßnahmen ergreifen, die in der gegebenen Situation von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt aus berufsfachlicher Sicht seines Fachgebietes vorausgesetzt und erwartet werden können (so z.B. BGH 16.5.2000, VI ZR 321/98 Rdnr. 27). Was die ärztliche Sorgfaltspflicht beinhaltet,  ergibt sich in der Regel aus entsprechenden Leitlinien und Richtlinien und wird in gerichtlichen Verfahren auch durch Beauftragung eines Sachverständigen ermittelt.


Pflegefehler
Auch Pflegefehler vor allem in Alten- und Pflegeheimen aber auch  in Krankenhäusern können eine Haftung begründen. Zum Beispiel die Entstehung eines Dekubitus wegen unzureichender Pflege (OLG Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2018-12 U 37/17).


Diagnosefehler
Auch Diagnosefehler können eine Haftung und Schadensersatzansprüche des Patienten begründen. Der Arzt muss  Anamnese, erhobene Befunde, Symptome, Laborwerte und auch bildgebende Verfahren wie z.B. Röntgenbilder, CT und MRT immer sorgfältig auswerten und zu einer möglichst richtigen Diagnose gelangen. Da jedoch manche Krankheitssymptome nicht eindeutig zuzuordnen sind, haftet ein Arzt nur, wenn sich die Fehldiagnose in der gegebenen Situation als unvertretbare Deutung der Befunde darstellt (so z.B. LG Koblenz, Urteil vom 25.1.2018 -1 O 359/16).


Befunderhebungsfehlern
Bei Befunderhebungsfehlern schuldet der Arzt dem Patienten zwar keine zwingend richtige Diagnose, jedoch eine ausreichende Befundung. Ein Befunderhebungsfehler liegt also vor, wenn der behandelnde Arzt es unterlässt, medizinisch gebotene Befunde zu erheben (BGH Urteil vom 26.1.2016, VI ZR 146/14). Nach dieser Entscheidung setzt ein Diagnoseirrtum voraus, dass der Arzt die medizinisch notwendigen Befunde überhaupt erhoben hat, um sich eine ausreichende Basis für die Einordnung der Krankheitssymptome zu verschaffen. Hat dagegen die unrichtige diagnostische Einstufung einer Erkrankung ihren Grund bereits darin, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht veranlasst hat, dann ist dem Arzt ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen. Denn bei einer solchen Sachlage geht es im Kern nicht um die Fehlinterpretation von Befunden, sondern um deren Nichterhebung.


Therapeutische Aufklärung / Sicherungsaufklärung
Sicherungsaufklärung oder Therapeutische Aufklärung bedeutet, dass der Patient einen Anspruch auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen hat. Dies gilt in besonderem Maße, wenn ihn erst die zutreffende Information in die Lage versetzt, eine medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen. Es ist ein schwerer ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, nicht informiert und ihm die erforderliche ärztliche Beratung versagt wird (BGH Urteil vom 26.6.2018, Az. IV ZR 285/17). Der Verstoß gegen die therapeutische Aufklärungspflicht bedeutet einen Behandlungsfehler und keinen Aufklärungsfehler. Auch darf kein Arzt, der es besser weiß, sehenden Auges eine Gefährdung seines Patienten hinnehmen, wenn ein anderer Arzt seiner Ansicht nach etwas falsch gemacht hat oder er jedenfalls den dringenden Verdacht haben muss, es könne ein Fehler vorgekommen sein. Dies gebietet der Schutz das dem Arzt anvertrauten Patienten (BGH Urteil vom 28. Mai 2002, IV ZR 42/01)


Aufklärungsfehler
Nach § 630 e BGB ist der Arzt verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und üblichen Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

Der Arzt muss den Patienten umfassend und verständlich über die Behandlung sowie über Risiken und Alternativen aufklären. Geschieht dies nicht oder nur unzureichend liegt unter Umständen keine wirksame Einwilligung in die Behandlung vor.


Was tue ich, wenn ich einen Behandlungsfehler vermute?

Wichtig ist zunächst

  • die Krankenakte bzw. Behandlungsunterlagen des Arztes anzufordern. Der Patient hat einen rechtlichen Anspruch auf Einsicht in seine Patientenakte nach § 630 g BGB und ein Recht, jederzeit seine vollständigen Behandlungsunterlagen einzusehen. So muss der Arzt oder das Krankenhaus auf Wunsch des Patienten die Unterlagen kopieren oder sie gegebenenfalls auf einem Datenträger zur Verfügung stellen.

  • Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat jedoch dem Behandelnden die entsprechenden Kosten zu erstatten.

  • Verstirbt der Patient, steht seinen Erben grundsätzlich in gleicher Weise das Recht auf Einsicht zu, es sei denn der Patient hätte dies ausdrücklich oder mutmaßlich nicht gewollt.

  • Man sollte sich weiter Hilfe holen bei der Krankenkasse oder einem Fachanwalt für Medizinrecht und sich beraten lassen.

  • Auch die Krankenkasse muss den Patienten bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler unterstützen. Die Krankenkasse kann den medizinischen Dienst mit einem Gutachten beauftragen.

  • Patienten haben auch die Möglichkeit ein Schlichtungsverfahren vor den Landesärztekammern bzw. Landeszahnärztekammern durchzuführen.


Wann kann ich Schadenersatz verlangen?

Der Patient hat einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den behandelnden Arzt oder das Krankenhaus wenn durch den Behandlungsfehler des Arztes oder des Krankenhauses ein Gesundheitsschaden beim Patient verursacht wurde.

Ist dieser Nachweis geführt, muss der Verursacher, also der Arzt oder das Krankenhaus, alle entstandenen Schäden ersetzen.
Zu den Schadenspositionen gehören beispielsweise:

  • ein Verdienstausfall
  • die Minderung der Erwerbsfähigkeit oder
  • ein sogenannter Mehrbedarfsschaden, etwa der behindertengerechte Umbau einer Wohnung oder eines Fahrzeugs.

Über diese materiellen Schäden hinaus steht dem Geschädigten aber auch ein.


Schmerzensgeld

Bei der Bemessung des Schmerzensgelds spielt neben den körperlichen Schmerzen auch der Verlust an Lebensqualität eine wichtige Rolle.

Die Höhe der Zahlungen ist immer abhängig vom Einzelfall und muss individuell mit dem Mandanten errechnet und begründet werden, allgemeine Schmerzensgeldtabelle reichen dazu in der Regel nicht aus.


Wie lange kann ich mögliche Ansprüche geltend machen?

Die Verjährungsfrist für Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Behandlungsfehlern beträgt drei Jahre.

Oft zeigen sich gesundheitliche Schäden jedoch erst lange Zeit nach dem fehlerhaften Eingriff. Daher beginnt die Verjährungsfrist erst mit Ende des Jahres, in dem der Patient von einem möglichen Behandlungsfehler erfahren hat oder hätte erfahren können. Spätestens 30 Jahre nach dem Eingriff sind jedoch alle möglichen Ansprüche vollends verjährt.

Die dreijährige Verjährungsfrist wird immer durch eine Klageerhebung gehemmt. Aus diesem Grunde ist es wichtig, umgehend, nachdem der Patient von einem möglichen Behandlungsfehler erfahren hat, sich rechtliche Hilfe zu suchen, damit die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht werden können und nicht verjähren.


Rechtsanwältin Sonja Thiry-Kirsch Fachanwalt für Medizinrecht Kontakt