202307.24
4

Grad der Behinderung / Schwerbehinderung

Grad der Behinderung – was ich dazu wissen muss

Wie man nachfolgend sieht, lohnt es sich, einen Grad der Behinderung, im besten Fall den Grad der Schwerbehinderung feststellen zu lassen.

Inhalt im Überblick:

  1. Ab wann ist man schwerbehindert?
  2. Wie bekomme ich eine Schwerbehinderung?
  3. Wonach richtet sich der Behinderungsgrad?
  4. Vergabekriterien
  5. Bleibt der Grad der Behinderung unverändert?
  6. Absenkung des Grades der Behinderung
  7. Bringt ein Behinderungsgrad 30 oder 40 etwas?
  8. Schwerbehindert am Arbeitsplatz
  9. Vorteile im Arbeitsverhältnis
  10. Vorteile im Sozialrecht & Steuerrecht



Ab wann ist man schwerbehindert?

Schwerbehindert im eigentlichen Sinn des Gesetzes ist man erst ab einem festgestellten Grad der Behinderung von 50. Wenn das zuständige Amt – dies ist im Saarland das Landesamt für Soziales in Saarbrücken – einen geringeren Grad der Behinderung feststellt, ist man „nur“ behindert, aber nicht schwerbehindert.

Dies ergibt sich aus dem Gesetz, genauer aus § 2 Abs. 2 SGB IX.


Wie bekomme ich eine Schwerbehinderung?

Einen Grad der Behinderung bekommt man nicht ohne Zutun. Man muss beim dafür zuständigen Amt – dies ist im Saarland das Landesamt für Soziales in Saarbrücken – einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung stellen. Das Antragsformular gibt es (auf der Homepage) der Behörde. Dazu empfiehlt es sich Arztatteste, Berichte von Krankenhaus- oder Reha Aufenthalten schon einmal beizufügen. In der Folge wird das Amt aber auch noch Berichte von behandelnden Ärzten anfordern.


Wonach richtet sich der Grad der Behinderung?

Der Grad der Behinderung richtet sich nicht nach den Diagnosen, sondern danach, welche Auswirkungen die Erkrankungen auf körperlichem, geistigem, seelischem und sozialem Gebiet haben: kann ich nur noch eine kürzere Gehstrecke als ein „Gesunder“ zurücklegen, bin ich wegen meiner Herzerkrankung schneller erschöpft? Habe ich wegen der orthopädischen Erkrankung immer Schmerzen?


Nach welchen Kriterien wird der Grad der Behinderung vergeben?

Die Kriterien, welcher Grad der Behinderung für welche Gesundheitsbeeinträchtigungen vergeben wird, sind in der sogenannten Versorgungsmedizinverordnung geregelt. Dort gibt es einen Katalog, für welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen welcher Grad der Behinderung vergeben wird. Zudem ist dort geregelt, unter welchen Voraussetzungen sogenannte Merkzeichen (also z.B. „aG“ für „außergewöhnlich gehbehindert“, mit dem man dann auch berechtigt ist, auf einem sogenannten Behindertenparkplatz zu parken) zu vergeben sind.


Bleibt ein festgestellter Grad der Behinderung ein Leben lang unverändert?

Dies muss nicht der Fall sein. Wenn sich gesundheitliche Änderungen ergeben, kann sich der Grad der Behinderung auch ändern, sowohl nach unten bei einer Verbesserung der Gesundheit als auch nach oben bei einer Gesundheitsverschlechterung. Bei manchen Erkrankungen, beispielsweise Krebserkrankungen, behält sich die Behörde auch von sich aus eine Nachprüfung vor (Heilungsbewährung). Dann überprüft die Behörde selbst einige Jahre nach der Heilung, ob und in welchem Umfang man noch durch die Erkrankung beeinträchtigt ist. Ist dies nicht mehr der Fall, führt dies in der Regel dazu, dass dann der Grad der Behinderung nach einigen Jahren abgesenkt wird.


Kann ich etwas gegen die Absenkung des Grades der Behinderung tun?

Wenn ein ehemals festgestellter Grad der Behinderung von 50 oder höher auf unter 50 verringert wird, hat dies zur Folge, dass man die früher festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft wieder verliert. Gegen eine derartige Entscheidung der Behörde auf Absenkung eines Grades der Behinderung auf unter 50 kann und muss dann Widerspruch bei der Behörde und gegebenenfalls später Klage am Sozialgericht eingelegt werden, was wiederum den Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft erheblich verzögern kann.


Bringt mir auch ein Grad der Behinderung von 30 oder 40 etwas?

Bei einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 ist man nicht schwer behindert. Wenn man jedoch befürchtet, seinen Arbeitsplatz zu verlieren oder anderweitige Nachteile am Arbeitsplatz drohen, kann man bei der Bundesagentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten stellen. Wird diesem Antrag stattgegeben, ist man einem Schwerbehinderten gleichgestellt.


Welche Vorteile habe ich als Schwerbehinderte am Arbeitsplatz?

Das wohl wichtigste Recht als Schwerbehinderter, aber auch als Gleichgestellter, ist der besondere Kündigungsschutz. Dies bedeutet, dass das zuständige Integrationsamt einer Kündigung vor deren Ausspruch zustimmen muss und vor der Kündigung auch eine eventuell vorhandene Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen ist. Tut der Arbeitgeber dies nicht, ist die Kündigung unwirksam. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Arbeitgeber gar nichts von der Schwerbehinderung oder der Gleichstellung wusste und aus diesem Grund das Integrationsamt oder die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt hat. Wenn der Arbeitgeber diese Stellen aus Unkenntnis der Schwerbehinderung nicht beteiligt hat, muss man dies dem Arbeitgeber nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.01.2006, Az. 2 AZR 539/05, binnen einer Frist von 3 Wochen, nachdem man die Kündigung erhalten hat, mitteilen. Verpasst man dies, kann man sich gegenüber dem Arbeitgeber nicht mehr auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen nicht Beteiligung des Integrationsamtes berufen. Unbedingt zu beachten ist aber, dass durch diese Mitteilung die Kündigung nicht automatisch unwirksam wird. Die Unwirksamkeit einer Kündigung kann nur ein Arbeitsgericht feststellen. Man muss daher unbedingt gleichzeitig zu der Mitteilung an den Arbeitgeber Kündigungsschutzklage am Arbeitsgericht erheben. Tut man dies nicht, wird das Arbeitsverhältnis trotz der unwirksamen Kündigung beendet. Unbedingt hierbei ist zu beachten, dass man für eine Kündigungsschutzklage nur eine Frist von 3 Wochen ab Erhalt der Kündigung hat. Man muss daher schnell reagieren, wenn man als Schwerbehinderte oder gleichgestellter eine Kündigung erhalten hat.

Der besondere Kündigungsschutz greift jedoch nur dann, wenn man den Antrag auf Schwerbehinderung oder Gleichstellung mindestens 3 Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt hat (grundlegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 01.03.2007, Az. 2 AZR 217/06)


Welche Vorteile habe ich noch im Arbeitsverhältnis?

Ist man für eine Schwerbehinderung, die während eines ganzen Kalenderjahres anerkannt wurde, erhält man einen Zusatzurlaub von 5 Tagen bei einer 5-Tage-Arbeitswoche. Dies ergibt sich aus dem Gesetz, aus § 208 Abs. 1 SGB IX.

Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres, so wird der Urlaubsanspruch gequotelt.

Erhält man die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend zuerkannt, bekommt man den Zusatzurlaub bis zu gewissen Grenzen auch rückwirkend zuerkannt.

Hierbei ist zu beachten, dass diese Grundsätze nur für Schwerbehinderte gelten, also Arbeitnehmer mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50. Gleichgestellter Arbeitnehmer haben demgegenüber keinen Anspruch auf diesen Zusatzurlaub. Auch dies ist im Gesetz geregelt, genauer in § 151 Abs. 3 SGB IX.


Welche Vorteile habe ich auf dem Gebiet des Sozial- und Steuerrechts?

Der für die meisten Menschen wichtigste Vorteil ist die Möglichkeit, früher abschlagsfrei in Rente gehen zu können. Darüber hinaus hat man steuerliche Vorteile durch erhöhte Freibeträge.

Wie man sieht, lohnt es sich auf jeden Fall, um die Feststellung eines Grades der Behinderung oder gegen eine Absenkung eines bereits erteilten Grades der Behinderung von 50 zu kämpfen.


Rechtsanwältin Sonja Thiry-Kirsch Fachanwalt für Medizinrecht Kontakt